Ok, ich habe mich inzwischen ja schon ein wenig um den Teil Spiel meines Blogs gekümmert, jetzt wird es höchste Eisenbahn, mich endlich auch mal um den Aspekt Text zu kümmern.

Und zwar, um etwas genauer zu sein, um die Texte der Spielregeln.

In jedem Beitrag der Regel-Review nehme ich mir die Regeln eines Spiels vor, lektoriere das Regelheft kurz und präsentiere euch die Ergebnisse.

Dabei steht nicht die Rechtschreibung im Vordergrund. Da mache ich selbst genug Fehler und Schreibfehler stören selten bei dem, worum es bei Spielregeln eigentlich geht: Klarheit und Verständlichkeit. Dazu aber weiter unten nochmal mehr.

Ganz wichtig: Mir geht es nicht darum, Regelautorinnen oder Übersetzerinnen an den Pranger zu stellen. Ich weiß schließlich nicht, unter welchen Umständen sie die Regeln übersetzen mussten. Hatten sie die fertige Anleitung zur Hand oder nur den reinen Text oder sogar nur eine Sammlung an Textbausteinen? Verfügten sie über eine physische oder zumindest digitale Version des Spiels? Wurde die Anleitung professionell lektoriert?

Für die richtigen Arbeitsumstände und die Qualitätssicherung ist schlussendlich der Verlag zuständig, nicht die jeweilige Übersetzerin.

Mit den Artikeln will ich einfach nur ein klein wenig mehr Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig Regelbücher sind und was man tun kann, damit sie uns Spielerinnen richtig abholen.

Und nebenher natürlich ein wenig Spaß haben.

Also, reiten wir los in den Sonnenuntergang des Wilden Westens der Spielregeln, die Rotstifte im Anschlag wie eine brettspielende Annie Oakley.

Every rule you can write I can write better
I can write every rule better than you

Annie Oakley im Musical: Annie get your Ca$h ‘n Guns

Eine Low Hanging Fruit?

Welcome To ist ein kurzweiliges Flip & Write Spiel, bei dem du auf einem Zettel Hausnummern, Zäune und Straßenverschönerungen einträgst, um am Ende mehr Siegpunkte zu haben als deine Mitspielerinnen.

Vorausgesetzt, du schaffst es, die Anleitung zu lesen, ohne das Spiel im hohen Bogen aus dem Fenster zu werfen. Denn was Blue Cocker Games uns in der deutschen Übersetzung da vorlegt, gleicht mehr einer großen Baustelle als einer schönen Siedlung.

Aber lass uns doch anhand von zwei Seiten mal ansehen, was genau ich meine.

Beispiel 1: Ablauf des Spiels

Einfach aufs Bild klicken, um es größer anzuzeigen.

Wir starten mit Seite fünf der Spielregeln. Davor gibt es noch Abschnitte zu Inhalt, Spielprinzip, Ziel des Spiels und Spielaufbau. Auf dieser Seite startet die Erklärung des Spielablaufs.

Und dabei läuft so einiges schief.

  1. Es gibt einige Grammatik- und Rechtschreibfehler. Außerdem wird ein Satz zweimal hintereinander wiederholt, nur leicht abgewandelt. Aber geschenkt, wie schon gesagt, mit der Rechtschreibung halte ich es wie mit Card Sleeves für UNO: Kann man machen, muss man aber nicht.
  2. Gleich im ersten Absatz taucht ein Problem auf, das man noch an sehr vielen anderen Stellen der Anleitung findet: Die Regeln vermeiden die zweite Person wie Eurogamer Würfel. Stattdessen gibt es umständliche Passiv-Strukturen (“Die Karten werden aufgedeckt…”) oder 3. Person (“Jeder Architekt trägt…”). Dabei könnte es in der zweiten Person (“Ihr deckt die Karten auf”) oder sogar mit Imperativ (“Deckt die Karten auf”) so einfach sein.

In einer Runde Spielen alle Architekten gleichzeitig. Bei einer Runde spielen alle Architekten zur gleichen Zeit.

Spielregeln “Welcome To” zum Thema: Same but Different
  1. Die Spielregeln sind nicht konsistent bei den verwendeten Begriffen. Mal wird von leeren Häusern, mal von Bauplätzen geredet. Mal heißt es Bauarbeiten, mal Bauvorhaben. Ich weiß, ich weiß: In der Schule wird uns eingetrichtert, dass wir Wörter nicht wiederholen sollen. Dieser gutgemeinte Tipp führt an sich schon oft dazu, dass Texte mit verrückten Synonymen vollgestopft werden wie mein Regal mit Dominion-Erweiterungen. In Anleitungen (egal, ob Spiel oder Waschmaschine) stört es mich aber ganz besonders, wenn ich nicht weiß, was genau mit einem bestimmten Begriff gemeint ist.
  2. Es fehlt ein Überblick darüber, was in einer Runde eigentlich passiert. Aus heiterem Himmel wird von Kombinationen geredet und man kann sich als Leserin und erfahrene Brettspielerin zwar zusammenreimen, was damit gemeint ist. Aber wenn ich Rätsel raten will, schnappe ich mir lieber ein EXIT-Spiel.
    Etwas Ähnliches passiert kurz darauf wieder, wenn die Bauarbeiten (oder Bauvorhaben, wer weiß das schon so genau) eingeführt werden. Beziehungsweise: nicht eingeführt werden.

Beispiel 2: die Liste der Bauarbeiten

Anklicken, um das Bild groß anzuzeigen.

Inzwischen hat sich die Anleitung einigermaßen entschieden: Es heißt Bauarbeiten und nicht Bauvorhaben.

Trotzdem gibt es auf dieser Seite noch einige Probleme. Setzen wir die Liste der Baustellen also fort.

  1. Eine Sache, die auch schon auf der vorherigen Seite auftauchte, aber hier so richtig deutlich hervortritt, ist die seltsame Verwendung von Schriftfarben. Auf dieser Seite gibt es natürlich Schwarz für den normalen Text und Grau für die Beispiele. Rot scheint für besonders wichtige Dinge zu stehen. Nur Blau ist mir ein Rätsel. Oft werden damit Elemente des Spiels hervorgehoben, zum Beispiel “Die Stadtpläne” und “fertigen Siedlungen”. Aber dann auch “einen Zaun zwischen zwei Häusern”. Ich werde nicht richtig schlau draus.
  2. Dieser Punkt knüpft eng an Nummer 4 an: Wichtige Spielkonzepte werden nicht extra erklärt. Hier zum Beispiel die Siedlungen. Würde es irgendwo zu Beginn der Anleitung einen kurzen Absatz dazu geben, was eine Siedlung ist und was sie wichtig macht, dann müsste es nicht umständlich in den Abschnitt zum Immobilienmakler eingebaut werden. Und davor schon einmal in den zum Geometer. Darüber, warum die Bauarbeit Geometer und nicht einfach Zaun heißt, wollen wir erst gar nicht reden…
  3. Die Beispiele sind nicht sehr klar. Im Beispiel für den Immobilienmakler wird erklärt, dass alle Siedlungen ohne Aufwertung des Immobilienmaklers für jedes Haus einen Punkt wert sind. Das ist zum einen eine nur bedingt nützliche Information, zum anderen gehört sie eindeutig nicht in ein Beispiel.
    Und im Beispiel zum Geometer wird uns erklärt, wie und wo der Zaun eingebaut wird. Zusätzlich bekommen wir aber auch eine Erklärung zur langfristigen Strategie der Spielerin im Beispiel. Unnötig und verwirrend.

Die ersten Architekten, die in derselben Runde auf ihrem Bogen alle Bedingungen erfüllt haben, die in einem der drei zu Beginn des Spieles gezogenen Pläne beschrieben sind, erzielen sofort die entsprechenden Punkte.

Spielregeln “Welcome To” zum Thema: Sätze, für die man ein Studium in gehobener Logik benötigt

Rauchende Rotstifte

Ok, pusten wir den Qualm von den Rotstiften, das muss so erstmal reichen für heute. Und um einen positiven Abschluss zu finden:Welcome To… ist eines meiner liebsten Roll/Flip and Write Spiele. Besonders an einem gemütlichen Nachmittag auf dem Balkon oder im Park (der wurde in meiner Straße zum Glück voll ausgebaut) spielt es sich extrem entspannt und gibt trotzdem noch genug zum Nachdenken. Mir gefällt auch, dass Blue Cocker sich die Mühe gemacht hat, dem konservativen 50er-Jahre-Thema einen progressiven Touch zu geben.

Achja, in den 50ern war die Welt noch in Ordnung.

Schade, das Spiel wäre bestimmt bei vielen Familien und Gelegenheitsspielerinnen sehr gut angekommen. Aber nicht mit den Regeln.

Wie geht es dir denn mit Spielregeln? Wann bist du das letzte Mal vor Spielregeln gesessen und dachtest: “Das darf doch nicht wahr sein!”

Schreibe mir doch gerne einen Kommentar dazu.