„Oh, wie niedlich!”, höre ich dich sagen.

„Schau mal, der süße Wüstenfuchs mit seinen großen Ohren! Und der Ozelot trägt sogar eine kleine Mütze”, rufst du entzückt.

„Sooooo putzig! Darf man die streicheln?”

Und dann wird dir plötzlich schwarz vor Augen und im Sortiment eines Marktstands taucht eine nigel-nagel-neue Niere auf.

So ähnlich, stelle ich mir den Alltag im idyllischen Handelsort Dale vor.

In Sami Laaksos Spiel Tal der Kaufleute mischen wir uns unter die Tiervölker Dales und versuchen unseren eigenen Platz in der lokalen Handelsgilde zu erkämpfen.

Name: Dale of Merchants
Designer: Sami Laaksos
Verlag: Snowdale Design

Spielerinnen: 2-4
Spieldauer: 1:00
Erschienen:

Nicht ganz geheimes Erfolgsrezept

Dale of Merchants vermischt drei Zutaten, mit denen eigentlich wenig schiefgehen kann: Deckbuilding, niedliche Tiere (zumindest auf den ersten Blick) und eine ordentliche Dosis Chaos.

Nur die beste Händlerin wird in die berühmte Gilde von Dale aufgenommen und du konkurierst mit deinen Mitspielerinnen um diesen Platz. Es findet mal wieder ein Wettbewerb statt und du willst dort den beeindruckendsten Verkaufsstand präsentieren. Zum Glück stehen dir ein paar nette Tiergefährtinnen zur Verfügung, um deine Konkurrenz hinter dir zu halten.

Damit hätten wir also die Tierchen abgehakt. Kommen wir zum Deckbuilding, das hier ein wenig anders läuft als du es vielleicht von Dominion oder Klong! gewohnt bist.

Für alle, die Deckbuilding noch nicht kennen, hier die ganz kurze Zusammenfassung: Du startest mit einem kleinen persönlichen Kartenstapel, deinem Deck. Die Karten darin sind anfangs ziemlicher Müll. Davon ziehst du jede Runde eine bestimmte Anzahl Karten und spielst sie aus, um verschiedene Boni zu bekommen. Meistens erlauben dir die ausgespielten Karten, neue Karten zu erwerben. Alte wie neue Karten landen auf deinem Ablagestapel. Am Ende deines Zuges ziehst du neue Karten von deinem Deck, bis irgendwann der magische Moment kommt: Dein Nachziehstapel ist alle. Was nun? Du mischst deinen Ablagestapel, also alle ausgespielten Karten sowie die neuen, bessere Karten und ziehst von diesem Stapel. Langsam wird dein Deck immer besser und deine Züge immer länger.

Bei Dale of Merchants funktioniert das ähnlich, es gibt aber einige Besonderheiten.
Wenn du in deinem Zug Karten ausspielst, musst du dich entscheiden, was du damit machen willst. Es gibt drei Optionen.

  1. Du kaufst dir eine neue, bessere Karte. Die Besonderheit dabei: Du nimmst sie direkt auf die Hand.
  2. Du spielst eine Karte aus, um die Spezialfähigkeit der Karte (Technik genannt) zu benutzen. Manchmal darfst du danach sogar noch eine zusätzliche Aktion durchführen.
  3. Du legst 1 oder mehrere Karten gleicher Farbe als Aufslage in deinen Marktstand und entfernst sie damit wieder aus deinem Deck.

Der dritte Punkt bringt dich dem eigentlichen Ziel näher. Du willst deinen Markstand vor allen anderen fertigstellen. Fertig bedeutet: Der Marktstand enthält 8 Stapel. Beim Bauen musst du aber noch auf ein paar Dinge beachten.

  • Die Karten im ersten Stapel, den du baust, müssen den Wert 1 haben, die im zweiten den Wert 2 und so weiter.
  • Ein Stapel darf nur Karten derselben Farbe enthalten.
  • Die Stapel dürfen keine Müllkarten enthalten. Klar, Müll im Marktstand ist ein No-Go.

Die ganzen tollen Karten, die du dir mühsam kaufst, musst du also dafür ausgeben, deinen Marktstand zu füllen. Du baust dein Deck also nicht nur auf, sondern nimmst es ständig auch wieder auseinander.

Wie meistens in Deckbuildern heißt es also: Timing ist alles. Wann kaufst du Karten? Wann startest du damit, deine Karten in Marktstände zu legen? Bei Dale und Merchants triffst du diese Entscheidung allerdings nicht nur einmal, wie beispielsweise in Dominion. Du triffst diese Entscheidung fast jede Runde.

Klar, du kannst die erste Hälfte des Spiels damit verbringen Karten zu kaufen und dann in der zweiten Hälfte daraus Marktstände machen. Das wird wahrscheinlich aber nicht sonderlich gut funktionieren, weil es mit einem großen Deck schwer wird, die exakt richtigen Farb- und Zahlenkombinationen im richtigen Moment auf die Hand zu bekommen.

Die sichere Variante ist es also, zunächst ein paar Karten in einer Farbe zu holen, mit denen ein paar Marktstände zu bauen und dann zu anderen Farben überzugehen.

Aber ob du damit schnell genug bist?

Wer ist dein Spirit Animal Folk?

Bisher klingt das alles nach ziemlich viel Rechenarbeit und Optimiererei. Aber wenn du oben aufgepasst hast, ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass ich einen Punkt so ein klein wenig unterschlagen habe: Die Techniken der Karten.

Statt zu kaufen oder zu bauen, darfst du eine Karte ausspielen, um den aufgedruckten Text zu verwenden.

Und hier kommen auch endlich die ganzen niedlichen Tiervölker ins Spiel. Von denen hat der Publisher Snowdale Design bisher 21 verschiedene veröffentlicht, je 6 in den kleinen Schachteln Dale of Merchants 1 & 2, 8 in der Dale of Merchants Collection und 1 als Promo-Deck. 6 weitere sind aktuell in Produktion und erscheinen in den nächsten Monaten als Dale of Merchants 3.

Jedes Tiervolk kommt mit einem eigenen Satz an Karten. Zu Beginn jeder Partie sucht ihr euch ein paar dieser Tiervölker aus (Anzahl der Spielerinnen plus 1) und mischt deren Karten zu einem Stapel. Aus diesem Stapel werden immer 5 Karten aufgedeckt, die ihr euch kaufen könnt. Die Karten eines Tiervolks haben alle die gleiche Farbe und der Wert jeder Karte liegt zwischen 1 und 5.

Was die Tiervölker neben der Farbe individuell macht, sind die besonderen Techniken. Jedes Tiervolk hat einen anderen Fokus. Manche helfen dir dabei, Karten zu kaufen, manche geben dir Kontrolle über deinen Nachziehstapel, manche machen das Bauen der Marktstände einfacher.

Manche der Animal Folks sind strategisch, andere eher taktisch. Aber ziemlich viele von ihnen sind hauptsächlich chaotisch, fies und auf jeden Fall längst nicht so niedlich, wie sie aussehen.

Nehmen wir zum Beispiel die Thieving Northern Raccoons (zu deutsch: Diebische Waschbären). Denen sieht man zwar direkt an, das sie es faustdick hinter den pelzigen Ohren haben, aber wie schlimm kann es schon sein?

Wenn ihr mit den Waschbären spielt, erlauben euch manche Karten, euren Müll anderen Spielerinnen zuzuschieben, Karten zu stehlen, sie Karten abwerfen oder sogar komplett aus dem Deck entfernen zu lassen.

Wer andere Deckbuilder mit wenig konfrontativer Interaktion gewohnt ist, wird bei Dale of Merchants große Augen machen. Aber es sind zum Glück nicht alle Tierchen so hinterlistig wie die Waschbären.

Mit den verschiedenen Animal Folks könnt ihr das Spiel ziemlich genau den Vorlieben der aktuellen Gruppe anpassen. Ihr wollt euch ein halbstündiges, hartes Denkduell liefern? Kein Problem, spielt einfach mit Flughörnchen, Pandas, Aras und Chamäleons. Ihr wollt Würfel werfen und auf der Chaoswelle Reiten? Dann sind Ozelot und Iltis die richtigen für euch. Es darf bei euch am Spieletisch ruhig auch mal so richtig gemein zugehen? Dann wählt am besten Krokodile, Füstenfüchse und Waschbären.

Ein Spiel für jeden Geschmack?

Ist Dale of Merchants also das perfekte Spiel, das für jede Gruppe die richtige Mischung bereit hält? Bringt es unendliche Abwechslung und damit auch, wie ein tierischer Klon von David Foster Wallace, unendlichen Spaß?

Die Antwort auf diese Frage ist ein lautes und klares: Jein!

Genau wie viele andere Spiele, die von ihrer Abwechslung leben, kann Dale of Merchants manchmal grandios sein und manchmal einfach nur langweilig. Manche der Tiervölker passen gut zusammen und erlauben clevere Spielzüge. Bei anderen Kombinationen weiß man nicht so richtig, was man machen soll.

Außerdem bringt das Für-Jeden-Etwas-Prinzip ein Zielgruppen-Problem mit sich. Perfekt ist das Spiel für alle, die sowohl Zufall, als auch Planung mögen, die mal ungestört vor sich hin spielen und mal richtig gemein sein wollen. Wenn du aber Angriffe im Spiel persönlich nimmt oder Zufall als intellektuelle Beleidigung siehst, musst du einige Tiervölker komplett aussortieren und dich fragen, ob das Spiel überhaupt das richtige ist. Wer ohne Maulkorb auf die Gegnerinnen losgehen will, kann schließlich auch Hero Realms spielen. Wer ein wenig Chaos und Zufall will, kann sich bei Klang! kopfüber in den Dungeon der Drachin stürzen. Und wenn du in Ruhe planen und taktieren willst, dann gibt es noch immer Dominion plus eine Gigazillion Erweiterungen dafür.

Braucht es da denn noch Dale of Merchants?

Für mich: Ja. Dale of Merchants ist in meiner Sammlung gelandet. Ich mag Überraschungen und Chaos und Zufall. Und manchmal mag ich es, spielerisch ein wenig gemein zu sein. Dale of Merchants war bei mir ein Erfolg, gerade weil es mir alles gleichzeitig bietet. Man braucht aber auch die passende Gruppe dafür und am besten mehr als 2 Spielerinnen.

Dann endet eine Partie aber dafür auch gerne mal in hysterischem Gelächter und ganz viel Spaß.

Das letzte Wort

Dale of Merchants bietet Chaos und Interaktion der besten Art. Wenn du Lust auf einen etwas anderen Deckbuilder hast, machst du mit einer der kleinen Versionen sicher nichts falsch. Ob du dann auch noch die anderen Packs und die Collection willst, musst du selbst entscheiden.

Text
Check

Angesichts der vielen Kartentexte und -interaktionen ist alles sehr verständlich und an vielen Stellen (besonders die Fluff-Texte) sogar humorvoll.

Rainbow
Check

Alle Figuren sind Tiere, deshalb kann ich nicht viel dazu sagen. Super ist, dass auf die Hälfte der Tiere mit weiblichen, auf die andere mit männlichen Pronomen verwiesen wird.

Solo
Check

Kein offizieller Solo-Modus.