“Käpt’n, Käpt’n, wir haben ein Problem!”

“Was’n los, Sergeant?”

“Der Strom ist ausgefallen und es gibt kein Licht mehr im Raumschiff.”

“Ahhhh, deshalb ist es hier so dunkel! Na dann, machen Sie sich an die Arbeit, wechseln Sie die LEDs.”

“Sofort, Käptn. Aber Käpt’n, es gibt noch ein Problem. Eine unserer Rettungskapseln ist kaputt, wir wissen aber nicht welche.”

“Was? Wozu bezahlen wir denn diese nichtsnutzige Ingenieurin? Los, Sergeant, sorge dafür, dass sie repariert werden!”

“Ähmmmm, es gibt da vielleicht noch ein kleines Problem…”

“Was denn jetzt noch, Sergeant?”

“Unsere Ärztin, die den seltsamen Alien-Virus untersuchen sollte….”

“Ja, was ist mit ihr?”

“Sie hat gerade den Versuchsaffen gegessen und fängt an, unser Team zu jagen.”

“Sergeant.”

“Ja, Käpt’n?”

“Wetten, ich bin vor Ihnen an der Rettungskapsel?”

Und – drei, zwei, eins, Peng! – beginnt eines der bewegungsärmsten, dafür aber spannungsreichsten Räuber-und-Gendarm-Spiele aller Zeiten.

Die Komponenten der Escape from the Aliens in Outer Space Deluxe Box – ohne die Stifte, die schon nach der 2. Partie in den Müll mussten.

Aliens im Bienenstock

Die Hälfte der Spielerinnen stolpert als wehr-, hilf- und oft auch planlose Astronautinnen aus der Startzone der Menschen. Sie wissen nur: Irgendwie müssen sie zu den Fluchtkapseln kommen. Gleichzeitig springen die Aliens aus ihrem Loch, wissen zwar auch nicht so richtig, was passiert, haben aber zumindest einen Plan: Astronautinen fressen.

Dabei weiß anfangs niemand, wer Alien ist und wer Mensch. Zu Beginn des Spiels geheim ausgeteilte Karten teilen dir mit, zu welcher Gruppe du gehörst und ob du noch über besondere Fähigkeiten verfügst.

Du weißt also nie: grinst Tina dir gegenüber so blöd, weil sie sich gleich in einer Rettungskapsel aus dem Staub macht oder weil sie plant, sich bei nächster Gelegenheit auf dich zu stürzen.

Als wäre das noch nicht genug des Nichtwissens, hast du auch wenig Infos darüber, wo sich die anderen befinden. Denn Bewegung findet im Geheimen statt.

Du – genau wie alle anderen Spielerinnen – hältst in deinen Händen einen Plan des Raumschiffs. Der besteht aus vielen kleinen hexagonalen Feldern und sieht ein wenig so aus, als hätten sich ein paar kiffende Teenager-Bienen einen Spaß erlaubt.

Auf dem Plan notierst du, wenn du an der Reihe bist, auf welches Feld du dich bewegst. Und wenn du nicht an der Reihe bist, versuchst du mit Tabellen, Pfeilen und verrückten Hieroglyphen nachzuvollziehen, was die anderen so im Raumschiff treiben.

2 der 8 Karten in der Deluxe Box. Während der Partie füllen sich die Waben und die Fläche darum mit wirren Notizen, Pfeilen und Kalkulationen.

Nur gelegentlich musst du dabei Informationen preisgeben.

Der Plan des Raumschiffs besteht aus Sicherheits- und Gefahrensektoren. Wenn sich eine Spielerin in einen Sicherheitssektor bewegt, notiert sie – natürlich geheim – die Koordinaten des Sektors, verkündet “Sicherheitssektor” und es geht mit der nächsten Spielerin weiter.

Bewegt sie sich dagegen in einen Gefahrensektor, notiert sie ebenfalls die Koordinaten, muss zusätzlich aber eine Gefahrensektorkarte ziehen. Dann passiert je nach Karte eins von drei Dingen: Ist die Karte weiß, verkündet die Spielerin Alle Sektoren sind ruhig” und legt die Karte verdeckt vor sich ab. Ist die Karte rot, muss sie verkünden, in welchem Sektor sie sich befindet. Und richtig spannend wird es, wenn die Karte grün ist, denn dann darf sie einen beliebigen Sektor nennen, in dem sie sich angeblich aufhält. Rote und grüne Karten werden übrigens auf einen Ablagestapel geworfen – verdeckt natürlich. Lügen deine Mitspielerinnen also gerade oder müssen sie die Wahrheit sagen? Niemand weiß es.

Aliens verfügen noch über eine weitere Aktionsmöglichkeit. Sie dürfen nach ihrer Bewegung einen Angriff durchführen, den sie allerdings offen verkünden müssen. Dadurch verraten sie sich als Aliens und geben gleichzeitig preis, wo sie sich befinden. Aber wenn du einen Angriff in einem Sektor durchführst, frisst du alle anderen Spielerinnen, die sich gerade dort befinden. Und genau das willst du als Alien schließlich erreichen: dir deinen Bauch mit lecker Menschlein voll schlagen. Und wenn du dabei mal zufällig einen anderen Alien erwischst, naja, dann ist es unvermeidlicher Kollateralschaden.

Der Tipping Point: Aus Versteckspiel wird Jagd

Wenn du gut aufpasst und die Ansagen der anderen Spielerinnen verfolgst, baust du langsam Wissen auf. Die Spielerin war zweimal hintereinander in einem Sicherheitssektor? Das schränkt die Anzahl an möglichen Aufenthaltsorten ein, denn Spielerinnen müssen sich jede Runde bewegen. Und auch die Ansagen in Gefahrensektoren geben Hinweise, wenn auch sehr unzuverlässige.

Gleichzeitig kannst du  vielleicht auch darauf schließen, wer am Tisch ein Alien und wer Astronautin ist. Wenn sich die Aliens nicht sowieso schon alle durch Angriffe zu erkennen gegeben haben.

Die Fluchtkapsel ist kaputt. Jetzt wäre ein Table Flip angebracht.

So sammelst du immer mehr Informationen, bis das Spiel irgendwann kippt. Aus dem Rate- und Versteckspiel wird eine Jagd. Die Aliens wissen, wer die Astronautinnen sind und welche Fluchtkapseln sie anvisiert haben. Von diesem Moment an koordinieren sie sich, versuchen entweder gemeinsam eine Astronautin nach der anderen zu erwischen oder teilen sich auf und verfolgen gleichzeitig mehrere Astronautinnen.

Diese können zu diesem Zeitpunkt nur hoffen, dass sie schon genug Vorsprung herausgearbeitet haben. Denn Aliens dürfen sich 1 oder 2 Felder weit pro Runde bewegen, Astronautinnen dagegen immer nur 1. Und nach einem erfolgreichen Angriff, wenn also eine Astronautin gefressen wurde, werden die Aliens noch schneller.

Gleichzeitig hoffen die Menschen auch, dass sie alleine auf dem Weg zur Fluchtkapsel sind. Denn jeder Escape Pod kann nur eine Astronautin retten. Oder auch nicht, denn wenn du durch geschicktes manövrieren und taktieren menschliche Konkurrenz wie auch Aliens abhängst und eine Fluchtkapsel erreichst, erwartet dich ein hoffentlich letzter Moment des Zitterns. Du musst eine Karte von einem winzigen Stapel aus fünf Karten ziehen. Vier dieser Karten zeigen dir an: alles klar, die Fluchtkapsel funktioniert, du hast es geschafft. Aber eine der Karten, du ahnst es wahrscheinlich schon, zeigt an: die besch*=!”§%te, ver&%?$§te Kapsel ist ver!§$$&t nochmal kaputt. Deine ganze Arbeit war umsonst. Du musst dir schnell einen Plan B überlegen.

Eine Katze darf auf keiner Raumstation fehlen.

Noch nicht genug Chaos?

Die Aliens sind also schneller und können angreifen. Und Rettungskapseln können kaputt sein. Klingt fast ein wenig unfair, findest du nicht auch? Deshalb bekommen auch die Menschen noch einen Bonus.

Erinnerst du dich an die weißen Gefahrensektorkarten? Viele davon können später als Item benutzt werden. Mit etwas Glück findet man, während man durch die dunklen Gänge der Raumstation stolpert, Waffen, Schutzschilde, Teleporter und Katzen. Wenn du eines dieser Items findest, darfst du es später im Spiel ein Mal einsetzen. Allerdings nur dann, wenn du ein Mensch bist. Auch als Alien legst du das Item wie ein Mensch verdeckt vor dir ab, aber dort bleibt es für den Rest des Spiels liegen – als ewiges Symbol der außerirdischen Unfähigkeit, einfache Gegenstände zu benutzen.

Das minimalistische Design der Karten vermittelt sehr überzeugend die unheimliche Stimmung des Spiels. Großartige Arbeit der Künstlerin Giulia Ghigini.

Es sei denn, du bist die eine Alien-Identität, die zum Beispiel den Teleport benutzen kann. Denn, und hier steigen Chaos und Ahnungslosigkeit noch einmal exponentiell an, die zu Beginn verteilten Karten sagen dir nicht nur, ob du Alien oder Mensch bist, sie weisen dir auch eine Identität zu. Die Menschen sind beispielsweise Captain, Soldatin oder Psychologin, die Aliens dagegen schnell, lauernd oder still. Mit den Namen gehen Spezialfähigkeiten einher. Manche Aliens dürfen bestimmte Items benutzen. Die Soldatin darf angreifen. Und die Psychologin beginnt das Spiel im Startsektor der Aliens.

Diese Identitäten geben nicht nur mehr Abwechslung, wenn sie wirklich im Spiel dabei sind. Die bloße Möglichkeit ihrer Existenz beeinflusst das Spiel schon enorm. Sollst du als Alien Zeit verschwenden und die Felder um den Startsektor herum kontrollieren, nur für den Fall, dass eine Psychologin dabei ist? Und planst du in die Überlegungen zu den Bewegungsmustern deiner Gegnerinnen mit ein, dass sie vielleicht einmal einen doppelten Schritt machen durften?

Und schließlich, als wären das noch nicht genug Überlegungen, gibt es im Grundspiel (Deluxe Box) 8 verschiedene Karten, mit gravierenden Unterschieden in Layout und Spiel-Dynamik. Mal gibt es ein Nadelöhr, durch das man sich als Mensch irgendwann schleichen muss und das die Aliens deshalb mit umso mehr Aufwand bewachen. Mal gibt es fast nur Gefahrensektoren, so dass es extrem wichtig wird, bei grünen Karten gute und plausible Alternativwege zu erfinden. Manche Karten sind so klein, dass man sich fragt, wie Menschen sich da überhaupt unbeschadet bewegen sollen. Manche sind so groß, dass dir der Weg zur Fluchtkapsel mindestens so weit erscheint wie der zur Weltall-Toilette, nachdem du schon deinen Weltall-Pyjama angezogen und dich gerade gemütlich in deine Weltall-Koje gekuschelt hast.

Wenn dir die 8 Karten irgendwann zu langweilig werden, kannst du dich übrigens auf der Website zum Spiel mit Nachschub versorgen. Neben der günstigen Print&Play-Variante des Spiels findest du dort auch weitere Maps und sogar einen Editor, mit dem du selbst zur bekifften Biene werden und deinen eigenen Raumschiffplan entwerfen kannst.

Den Map Editor zum Spiel findest du hier: Map Editor

Zum Abschluss will ich noch ein paar Worte zur Gruppengröße verlieren. Offiziell wird 2-8 angegeben, aber am besten funktioniert es meiner Erfahrung nach mit 3 bis 5 Spielerinnen. Zu zweit fällt ein großer Teil des Bluff-Spiels weg und mit mehr als 5 Spielerinnen wird alles sehr langsam. Generell habe ich auch mit den kleineren Karten bessere Erfahrungen gemacht und benutze die großen Raumschiffe nur mit erfahrenen Gruppen.

Ansonsten ist Escape from the Aliens in Outer Space ein absolut empfehlenswertes Spiel, mit ständig neuer Dynamik. Die Mischung aus scharfsinniger Deduktion und rasender Panik funktioniert perfekt. Enge Situationen führen zu Schweißausbrüchen und zitternden Händen wie bei kaum einem anderen Spiel. Und sowohl als Alien als auch als Mensch hat man immer wieder die Möglichkeit, kreative und clevere Lösungen für verzwickte Situationen zu finden und Pläne zu schmieden, die dann genauso oft jämmerlich scheitern wie glorreich gelingen. Genau das führt regelmäßig zu Partien, an die man sich auch Monate danach noch erinnert.